Montag, 6. Mai 2013

Einen Tag aus der Welt eines Backpackers

Hast du schon mal mit dem Gedanken gespielt mit nichts ausser einem Rucksack in fremde Länder aufzubrechen und dir vorgestellt wie das wäre?
Mit diesem etwas anderen Blogeintrag in Form eines Tagebuchs kannst du zwei ganze Tage aus unserer Sicht miterleben. Genau so wie wir es erleben. Also auch das für uns mittlerweile alltägliche wie das Handeln um das Busticket, das Durchschlängeln durch all die Touranbieter, das Unterdrücken des Toilettengangs auf der Busreise usw.

21. April 2013, ein Tag aus der Sicht von Backpacker Manuel

5 Uhr, Puno, Busbahnhof
Sieben Stunden im Nachtbus durch die peruanischen Anden von Cusco nach Puno liegen hinter uns. Für 25 peruanische Soles (9 Fr.) haben wir uns einen 'First Class'-Bus geleistet, bei dem man die Sitze beinahe zu einem waagrechten Bett herunterklappen kann. Es fühlte sich an wie sieben Stunden in einem fahrenden Himmelbett. Alleine in den letzten zwei Wochen haben wir zirka 60 Stunden im Bussen verbracht. Oftmals in Nachtbussen mit verknoteten Beinen und den Körper irgendwie unmöglich verrenkt, damit wir zwischen die Busreihen mit ihrer minimaler südamerikanischer Bemessung passen und bestenfalls noch ein paar Stunden Schlaf kriegen. Falls dann gerade kein Hollywood-Kamikaze-Blockbuster in voller Lautstärke durch den Bus dröhnt. (Wir haben Taken 2 seit Beginn unserer Reise in Mexiko bestimmt zehn Mal gesehen und er ist immernoch grottenschlecht). Busfahren mit unseren Lama-Beinen und dem lateinamerikanischen Verständnis von Entertainment ist echt kein Spass!

Ist die Busfahrt erstmal überstanden, kommt im Busterminal die zweite Hürde. Eine Horde Touristenpromoter springen geradezu auf einen zu und bieten einem alles (aber wircklich alles!), was das Touristenherz so begehrt. Auch um 5 Uhr morgens in Puno war das nicht anders. Touren zu den Uros Inseln, Taxi, Hostel...Wir antworten mit einem fruendlichen 'no, gracias', worauf unser Amigo seinen letzten Joker aus dem Ärmel zieht: 'Kokain, Marijuana, Extasy?'
'Erstmal lieber richtig frühstücken', denken wir und machen uns auf den Weg zum naheliegenden Markt. Märkte stehen ganz weit oben auf der Liste unserer Lieblingsziele in Städten. Nirgendwo sonst kriegt man das Leben und die Kultur in Lateinamerika so hautnah mit wie an einem Markt. Das bunte Treiben fasziniert uns immer wieder und neue Fotomotive scheinen mir im Sekundentakt vor dem Objektiv herumzutanzen. Wo wir sonst bei Fotos von Personen immer um Erlaubnis fragen, fällt hier der 'Gringo' mit der Kamera nicht gross auf und ich kann 'heimlich' ein paar Fotos schiessen und mich eine wenig austoben.












Zusätzlich gibts auf Märkten auch das leckerste und preiswerteste Essen. Viele Traveller meiden es aus hygienischen Gründen an Märkten zu essen, wir hingegen lieben es und sind regelrechte Markt-Freaks! Nichtzuletzt weil wir seit Mittelamerika wohl total immun gegen alle möglichen Arten von Lebensmittelvergiftungen sind. Ansonsten hilft Fabian, der seit drei Wochen mit uns unterwegs ist, mit seiner täglichen Rum-Therapie nach. So hat er es geschafft seinen einwöchigen Dauerdurchfall in Tagesfrist erfolgreich zu behandeln!

6:30 Uhr


Fr. 2.35 schlagen wir uns die Bäuche mit Käse & Avocadobroten voll. Zeit ein wenig unseren bevorstehenden Tag zu planen. Wir sind am Titicacasee angekommen, mit 3821 Metern über Meer der höchste beschiffbare See der Welt.

Wir haben von einer Isla Amantani gelesen, eine friedvolle Insel wo die Zeit scheinbar vor jahrzehnten stehengeblieben ist. Keine Hostels, keine Restaurants, keine Elektrizität, keine nervigen Touristenpromoter. Nada. Trifft genau unseren Geschmack und wir beschliessen ins nächste Boot zu steigen.


Auf dem Markt kaufen wir als Geschenke für die Inselbewohner noch ein paar Lebensmittel . Reis, Salz, Spaghetti, Zucker, 7 Äpfel, 5 Mandarinen, 6 Bananen, 4 Schoggitaffeln und Soja-Öl.


Wir halten ein Mototaxi an. Doch wieviel ist die Fahrt zum Hafen wert? Einerseits sind wir bereit ein bisschen mehr als ein Local zu bezahlen, da wir wissen das beispielsweise ein Touristenschlepper, der das komplette Gepäck von Touristen vier Tage über den hügeligen Inkatrail trägt, nur unglaubliche 50 Dollar verdient. Auf der anderen Seite wollen wir uns auch nicht abzocken lassen. Eine ewige Gradwanderung. Reiseführer wie der 'Lonely Planet' sind oftmals Fluch und Segen zugleich. In diesem Fall eine grosse Hilfe, da er die ungefähren Preise von Bussen, Taxis und Mototaxis auflistet. Wir handeln den Preis auf 3 Soles (Fr. 1.10) runter und das Mototaxi, mit uns drei Leichtgewichten völlig am Anschlag, holpert Richtung Hafen.

Beim Hafen treffen wir einen älteren, Coca-Blätter kauenden Mann, der sich uns als Kapitän Pedro vorstellt. Für 30 Soles (Fr. 10.80) nimmt er uns auf seinem Boot mit zur Isla Amantani und am nächsten Morgen wieder zurück.


Kurz nach 8 Uhr






Matrazen & Co. sind geladen, alle sind bereit und Kapitän Pedro sticht mit unterirdisch gemütlichem Tempo in den bilderbuch-schönen, stahlblauen Titicacasee.




Nach gut einer Stunde verlangsamt Kapitän Pedro sein Boot von Schritttempo auf Schneckentempo und wir halten mitten im Titicacasee vor zwei winzigen Schilfinseln an.


Gespannt steigen wir vom Boot und sinken erstmal ein paar Zentimeter in den weichen Schilf ein.


Die Uros begrüssen uns in ihren traditionellen farbenfrohen Kleider und ein alter Mann, wohl der Stammesführer, beginnt uns von ihrem einzigartigen Leben auf den 'schwimmenden Inseln' zu erzählen.


Er erklärt uns, dass seine Familie Nachkommen der Uros sind, die zu ihrem Überleben vor hunderten von Jahren diese Schilfinseln gebaut haben. Sobald nämlich die übermächtigen Inkas näher kamen, setzten sich die Uros schlichtweg samt ihrem kompletten Zuhause vom Festland ab und schwammen irgendwo auf den 8288 km2 grossen Titicacasee hinaus in Sicherheit.


Bis heute schwimmen die da rum und alle sind auch schön wohlförmig ernährt durch Onkel Tourismus.


Die Insel besteht aus diesen mit Schilf überdeckten quadratischen Blöcken und sind durch vier Seile an 'Holzankern' angemacht. Sie wollen ein wirres umhertreiben vermeiden, meint der Stammesführer. Da er sowieso keinen Pass besitze, würde dies auf dem ländergeteilten See sowieso nur unnötig Probleme machen.



Auch wenn mittlerweile Solaranlagen und Fernsehen Einzug gehalten haben, hat dieser Ort sine Authenzität zum grossen Teil beibehalten.


Die Uros gehen immernoch mit ihren aus Schilf gebauten Booten auf Fischfang. Wir haben Zeit ein bisschen mit den Uros zu sprechen und ein paar Fotos von diesem eindrücklichen Ort zu schiessen.



Auf den Uros Inseln fing meine Blase ein wenig an zu drücken, das Standardproblem eines Travelers. Man muss seinen Körper schon ganz gut im Griff haben um die oft stundenlangen Busfahrten oder eben auch Schifffahrten mit fehlender Toilette zu überstehen. Da ich das Schilf der Uros nicht unnötig aufweichen wollte und ich auch etliche nicht weiter auszuführende Notfallszenarien in Bussen als nicht angepasst hielt, entschied ich mich für die Variante 'alles über Board'! 'Der Titicacasee ist eh schon einer der am meisten verschmutzten Seen der Welt', denke ich mir. Als ich gerade Ansetzen wollte, lachte mich Kapitän Pedro von der Seite aus und zeigte mit breitem Grinsen auf eine klitzekleine Kabine im hinteren Teil des Schiffes.


Obwohl unser Ziel, die Isla Amantani, schon von den Uros in Sichtweite war, dauert es geschlagene drei Stunden bis die drei (!) Kapitaene den kleinen Hafen endlich erreichen.



12.30 Uhr, Isla Amantani





Wir sind am Hafen der idyllischen Isla Amantani und lernen dort die etwas schüchterne Catelena kennen, die uns grosszügig ein Zimmer bei ihrer Familie anbietet. Wir hatten es echt auch schon schwerer bei der Suche nach einer Unterkunft.





Catalena führt uns zu ihrem Haus am Hang mit wunderbarem Blick über den Titicacasee. Anderswo würde ein Haus an dieser Lage wohl Millionen wert sein!




Gespannt beziehen wir unser Zimmer, müssen uns erstmals gehörig bücken und checken dann gleich mal die Bettqualität aus.


Ich habe wohl soeben gerade die neue Nummer Eins meiner 'Härteste Better in Südamerika'-Skala gefunden.






Doch für 30 Soles (Fr. 10.80) inklusive drei Mahlzeiten stellen wir auch überhaupt keine Ansprüche, sind froh eine Bleibe zu haben und freuen uns auf das bevorstehende Mittagessen.


Nach dem Mittagessen übergeben wir Catalena und ihrer Tochter unsere Geschenke. Sie freuen sich unglaublich über die Abwechslung von Früchten, Spaghetti und Schoggi.


Stolz präsentiert uns Catalena ihre selbst gestrickte Wollhandschuhe, Kappen, Taschen und Mini-Alpacas aus feinster Alpaca Wolle.


Kurzerhand kaufen wir für 5 Soles einen neuen, treuen Wegbegleiter: Alpaca Julietta hier mit seinem Vater Simon. Julietta hat sich letzten Endes gegen den traditionelle Namen Hans-Peter und diversen unterirdisch schweinische Namen wie beispielsweise Analpaca durchgesetzt. Wie es sich gehört, taufen wir das Alpaca in gehobenem Rahmen mit der fabian'schen Rum-Taufe, ein äusserst primitiver Taufprozess.

Wasser ist in manchen Regionen ein echtes Problem in Peru. Oftmals kommt tagelang gar kein Wasser und wenn, dann meistens kalt. Auch heute ist die Dusche nutzlos und der 9 Grad kalte Titicacasee muss genügen. Brrr...



16:00 Uhr










Catalena zeigt uns einen Wanderweg und schwärmt von einem gigantischen Sonnenuntergang. Höchste Zeit uns zu den Bergen Pachatata und Pachamama auf den Weg zu machen.







So fantastisch wie sie sich anhören, ist auch die Aussicht. Auf über 4000 Metern erwartet uns eine grandiose 360 Grad View. Genau für solche Momente, für solche Erlebnisse reisen wir. Unbezahlbar geil!
Kaum ist die Sonne hinter dem Horizont verschwunden, wird es arschkalt! Waehrend man am Tag locker bei bis zu 20 Grad im Shirt rumlaufen kann, wird es in der Nacht bis zu 2 Grad kalt!




Eingepackt mit unseren überwarmen Alpaca-Vollausstattung gehts im Eilzugtempo wieder runter zu unserer Familie, wo Catalena auch schon mit einem einfachen, aber leckeren Nachtessen auf uns wartet.Auf dem Weg kommt der wunderschöner Sternenhimmel zum vorschein. Einer, wie man ihn nur an einem solch abgelegenen Flecken Erde ohne Lichtverschmutzhng geniessen kann. Der Mond und die Sterne sind nebst ein paar Kerzenlichtern das einzige, was hier Licht gibt. Die Insel wird nicht mit Elektrizität versorgt. Nur Dunkelheit und absolute Ruhe...


8:20 Uhr
Wieder ist ein Tag mit vielen Eindrücken vorbei. Eine wirckliche Ausgangskultur am Abend kennt Peru nicht, die Isla Amantani schon gar nicht. Wir sind aber sowieso hundemüde und gehen nach dem obligatorischen Pre-Bett-Jass brav ins harte aber immerhin warme Bett.

Kassensturz (pro Person)

CHF 2.35 Frühstück
CHF 5.30 Geschenke
CHF 1.10 Mototaxi
CHF 5.40 Bootsticket
CHF 10.80Uebernachtung mit drei Mahlzeiten
= CHF 24.95


22. April 2013, ein Tag aus der Sicht von Backpacker Simon

05:00 Uhr, Isla Amantaní
Es ist noch dunkel draussen. Und saukalt. Aber in meinem Schlafsack und unter drei Decken herrscht eine angenehme Wärme, die ich jetzt verlassen muss. Denn ich weiss: der Druck auf meiner Blase wird nicht nachlassen.
In eisiger Kälte und ohne Licht suche ich das "Klo" im Garten. Ja, manchmal vermisse ich den Komfort von zuhause.


06:45 Uhr
Kaum hat der Wecker geklingelt bin ich angezogen. Vor einem Jahr zuhause wäre ich mindestens noch 15 Minuten liegen geblieben. Doch dies hat sich geändert. Warscheinlich weil es schöner ist zu einem Blick über den Titicacasee und Vogelgezwitscher aufzustehen als in meinem meist unordentlichen Zimmer und mit dem Gedanken, den ganzen Tag im Büro zu verbringen. Ausserdem wartet ein leckeres Frühstück auf uns.



07:00 Uhr
Ein Mädchen der Gastfamilie läuft umher um unser Morgenessen herzurichten während sie sie die Kinder in die Schule schickt. Wie schon gestern ihre Geschwister und Eltern ist sie nicht in Plauderstimmung und wirkt zurückhaltend. Ich versuche mir vorzustellen wie es ist, jeden Tag Europäer und Amerikaner zu bedienen, die Kameras mit sich tragen, die warscheinlich so viel Wert haben wie der ganze Familienbesitz. Es bleibt beim Versuch und beschliesse, dass es Ihnen wohl insgesamt besser geht mit den zusätzlichen Einnahmen der Touristen.



07:30 Uhr
Zeit zum Packen. Eins dieser mittlerweile alltäglichen Sachen für uns. Inzwischen geht das zack-zack. Und alles hat seinen festen Platz. Es geht sogar so weit, dass ich weis wo Manu seine 7 Sachen verstaut.
Wir bedanken und verabschieden uns von der Familie und schlendern zum Hafen.





08:00 Uhr
Wir zeigen dem Kapitän unsere bereits gestern gekaufte Fahrkarte und steigen als einzige Passagiere ins Boot, während wir uns über das grosse Platzangebot freuen.



Doch zu früh gefreut: El Capitan Pedro bittet uns umzusteigen weil er mit so wenig Passagieren nicht fahren möchte.



Nach einer Stunde auf dem See merken wir, dass wir eine andere Route fahren. Denn das Boot legt an und alle steigen in ein Colectivo um. Das ist ein Mini-Bus, der für doppelt so viele Passagiere Platz bietet, wie das in der Schweiz der Fall wäre. Für uns Langbeiner meistens eine Qual. Wir sind aber einfach Glücklich, dass wir einen Sitzplatz erhalten. Man wird eben Bescheiden.



10:30 Uhr, Puno, ???
Der Collectivo lädt uns irgendwo in Puno ab.


Wir haben noch einen weiten Weg vor uns heute und keine Zeit umherzulaufen, also rufen wir ein Mototaxi heran, der üblicherweise günstiger ist als ein Taxi.
In unserem 4 Jahre alten Lonely Planet (der Reiseführer für Backpacker) steht ein Richtpreis von 2 Soles.
Manu (auf Spanisch natürlich): "Wieviel kostet die Fahrt zum Busterminal?"
Fahrer: "5 Soles"
Manu: "Das ist zu viel! 2 Soles!"
Fahrer: "OK, 3 Soles (CHF 1.10)"
Mit 10 km/h düsen wir zum Busterminal.



11:00 Uhr, Puno, Terminal Terrestre


Nach ein wenig herumfragen wissen wir, dass es um 14:00 Uhr einen Direktbus nach Copacabana in Bolivien gibt, unser Ziel für heute.
Umständlicher, dafür günstiger und früher, fahren Collectivos bis an die Grenze, nur 10 km vor Copacabana. Jedoch von einem anderen Terminal. Wie in jeder Stadt in Lateinamerika gibt es mehrere Busterminals. Zum Glück liegt unser Ziel-Terminal nur vier Strassen weiter.

Doch zuerst brauchen wir Bargeld. Wir besorgen uns mit unserer einzigen verbliebenen Kreditkarte (zwei wurden wegen Betrug gesperrt und die Ersatzkarten liegen bei unseren Familien) 200 Soles gemäss unseren unserem ausgeklügelten 4-Stufen-Sicherheitscheck:
#1 Kartenleser kontrollieren
#2 Umgebung nach Kamera absuchen
#3 PIN verdeckt eingeben
#4 Tastatur abwischen
Denn einen Betrug wollen wir nicht nochmal erleben und ausserdem ist unsere letzte Kreditkarte lebenswichtig.


Das Geld sicher verstaut, laufen wir zu Fuss Richtung Busterminal an Schrotthändlern, Fruchtständen und stationären Mittagstischen vorbei.




Es gibt Hühnchen, Fisch, Linsen oder fritierten Käse mit den üblichen Beilagen (Kartoffeln, Reis und Salat) für 3 Soles (CHF 1.10) inkl. Suppe und Getränk.






Am Fruchtstand besorgen wir uns Proviant für den Nachmittag:
1/2 kg Trauben, 1 kg Birnen und 2 Passionsfrüchte für insgesamt 6.50 Soles (CHF 2.40).



11:30 Uhr, Puno, Busterminal Zona Sur
Den richtigen Bus zu finden ist in Lateinamerika ein Kinderspiel: jeder Chauffeur steht vor seinem Wagen und schreit sein Ziel ununterbrochen zu allen suchenden Reisenden aus, bis sein Bus voll ist. Unser Chauffeur möchte für die 2,5 h Fahrt 10 Soles (CHF 3.60), was wir als fair erachten und besetzen 3 Plätze.


Der Bus ist noch fast leer, sodass wir noch Zeit für die eminent wichtige Pipipause haben.
Vor jedem öffentlichen WC verlangt eine Angestellte einen Batzen und überreicht Papier. Als ich der Frau erzähle, dass ich eine Reportage über Peru für die Schweiz schreibe, darf ich ein Foto machen und bezahl dann die 0.30 Soles (CHF 0.10) fürs Brünzle.



Prompt als ich wieder im Colectivo sitze, fährt dieser ab. Die Fahrt führt entlang dem fast unnatürlich schönem Titicacasee mit schneebedeckten 6'000ern im Hintergrund und vorbei an Prärien mit Lamas, Alpacas, Flamingos, Kühen, Schweinen, Eseln und Schafen. Dazu hat es gesellige Peruaner an Board, die uns von 500 kg schweren peruanischen Schweinen erzählen.






Dann vertiefe ich mich in mein Buch (das Bücherlesen ist anstelle von DVD's und TV-Shows zu unserer täglichen Portion Unterhaltung geworden) und lese wie ein Deutscher ohne Geld versucht in die Antarktis zu reisen und dabei genau hier am Titicacasee beinahe verhungert.

14:00 Uhr, Yunguyo, 3km vor der Grenze
Unser Colectivo macht hier Endstation. Wie so oft steht beim Aussteigen ein Taxi bereit. 3 Soles (CHF 1.10) kostet das letzte Stück bis nach Bolivien.


Aus uns noch unerklärlichen Gruenden, haben die Taxifahrer den ständigen Drang auf der linken Strassenseite zu fahren. Nur um entgegenkommenen Fahrzeugen auszuweichen wird ein Schwenker nach rechts eingelegt.


14:15 Uhr, Grenze auf peruanische Seite
Bei einer Wechselstube gönnen wir uns ein letztes peruanisches Eis für fast schon freche 5 Soles (CHF 1.80) und wechseln dann alle verbleibenden Soles in Bolivianos. Der Kassier tippt 2.60 in den Taschenrechner. Wir haben keine Möglichkeit zu prüfen ob der Wechselkurs stimmt und nicken einfach.




14:15 Uhr
Auf dem schäbigen Polizeiposten werden wir nach den Hintergründen unserer Reise gefragt und im Schlafzimmer des Polizisten inkl. Gepäck grob durchsucht. Er entdeckt die zu medizinischen zwecken verwendete Flasche Rum von Fabian glücklicherweise nicht und lässt uns gehen.


14:30 Uhr
Wir befinden uns mit einem Beamten alleine in der Schalterhalle der Migration. Er ruft uns zu sich und wir strecken unsere Pässe hin. Manuel und Fabian den Schweizerischen und ich den Amerikanischen. Als der Beamte die Buchstaben USA sieht, fragt er mich, ob ich wisse, dass ich für Bolivien ein Visum im Wert von USD 130.- brauche. Ich habe dies kürzlich von einer Amerikanerin in Peru bereits erfahren und zeige ihm deshalb zusätzlich meinen Schweizer Pass. Die Reaktion des Beamten kommt für mich unerwartet. Er zieht mich auf die Seite und fragt: "Wieviel bezahlst du?"
Hier muss ich "kurz" erklären weshalb ich den amerikanischen Pass benütze: In Ecuador wird Touristen 3 Monate Aufenthalt pro Jahr gewährt. Für meinen Sprachaufenthalt von September bis Dezember bin ich 83 Tage mit dem Schweizer Pass im Land verweilt. Um bei der erneuten Einreise im März 2013 nochmals die vollen 90 Tage zu erhalten, wechselte ich bereits bei meiner Ankunft in Kolumbien am Flughafen meinen Pass. Dies weil mir aufgefallen ist, dass bei Einreisen auf Landweg der Ausreisestempel des vorhergehenden Landes kontrolliert wird, aber am Flughafen dies nicht möglich ist. Seither reise ich mit dem Amerikanischen.
So konnte ich ohne Probleme weitere 3 Wochen in Ecuador verbringen.

Allmählich kapiere ich was der Beamte will. Er will mir einen Ein- und Ausreisestempel von Peru in meinen Schweizer Pass geben um mir eine Einreise in Bolivien ohne Visum zu ermöglichen. Aber natürlich nicht ohne Gegenleistung. Ich versuche abzuschätzen ob es sich hier um eine Win-Win-Situation handelt oder ob er mir etwas vormacht und es nicht doch eine andere kostenfreie Möglichkeit gibt die Grenze zu passieren.
"Wieviel bezahlst du? Das Visum würde USD 130 kosten", wiederholt er.
Ich versuche möglichst cool zu reden, was mir eher schlecht als recht gelingt: "USD 10.-"
"Amigo, das Visum kostet 130, wie wärs mit der Hälfte?"
"Ich geb Ihnen alles was ich bei mir habe, USD 25.-", lüge ich.
Der Mann schüttelt den Kopf und verschwindet mit allen Reisepässen. 15 Minuten später taucht ein anderer Beamter hinter dem Schalter auf und ruft zuerst Fabian und Manuel und dann mich zu sich. Er hält mir diskret ein Blatt Papier hin auf dem steht: USD 60
Ich versuchs ein letztes Mal: "Ich habe nur USD 45.... und ein wenig Bolivianos dabei"
Prompt rechnet er mir die fehlenden USD 15 in Bolivianos um. Sturkopf!
Wir kratzen das Geld zusammen und bezahlen. Er schiebt das Geld schnell in eine Schublade.
Zum Schluss gibt er mir Anweisungen wie ich mich an der bolivianischen Grenze zu Verhalten habe. Natürlich alles mit ernster Miene.



Mit Zweifel wegen dem Deal und unzähligen "was-wäre-wenn"-Fragen im Kopf laufe ich mit meinen Kompanen unter einem Torbogen auf bolivianischen Boden über. Adios Peru, Bienvenido Bolivia:)



16:00 Uhr (+1 Stunde Zeitverschiebung) Grenze auf bolivianischer Seite



Auf der bolivianischen Seite geht dann alles sehr schnell: Formular ausfüllen, Stempel holen, Pipi für 1 Boliviano (CHF 0.15) machen, kurze Taxifahrt für 20 Bolivianos (CHF 2.70) und schon sind wir am Ziel.







16:30 Uhr, Copacabana
Ab auf Unterkunftssuche. Nach einem ausgebuchten und einem zu teuren Hostal werden wir fündig. Für von 210 auf heruntergehandelte 150 Bolivianos (CHF 20.-) ergattern wir ein 3-Bettzimmer mit Terasse und Morgenessen.






18:00 Uhr
Auf Restaurantsuche werfen wir einen Blick auf das Menü eines Thai-Restaurants. Menüs werden für Bol 50 angeboten. Zu teuer. Ich frage die Asiatin nach günstigeren Menüs. Sie reicht uns die Mittagsmenükarte mit Suppe, Tee und Hauptgang nach Wahl zum Spezialpreis von 30 (CHF 4.-) statt 35 Bol.

19:20 Uhr
Nach dem kräftezerrenden Tag gönnen wir uns ein heisses Bad in einem Whirlpool im freien für 70 Bol (CHF 9.35)


21:00 Uhr
Zum Abschluss des Tages führe ich die Statistiken unserer Weltreise nach, lese mein Buch zu Ende und nicke dann ein.



Kassensturz (pro Person):
CHF 2.00 Bootsfahrt
CHF 0.40 Mototaxi
CHF 1.10 Mittagessen
CHF 0.80 Früchte
CHF 3.60 Busticket
CHF 0.10 WC
CHF 0.40 für Taxi
CHF 1.80 Eis
CHF 0.15 WC
CHF 0.90 Taxi
CHF 7.00 Hostal
CHF 4.00 Nachtessen
CHF 3.10 Whirlpool
= CHF 25.35
+ USD 60.- für Beamtenbestechung

Erläuterungen:
Um auf neue Ideen zu kommen, wie wir unsere Berichte für unsere Leser spannender gestalten können, versuchten wir uns in die Situation von unseren Freunden in der Schweiz zu versetzen. Bestimmt haben viele unserer Freunde schon mit dem Gedanken einer Reise als Backpacker gespielt, haben sich aber (noch) nicht zu diesem Schritt bewegen können oder haben schlicht nicht die Möglichkeit dazu.
Was könnte diese Leser über unsere Reise am meisten interessieren? Sind es wirklich die vielen Sehenswürdigkeiten die wir sehen? Sind es die Fotos von Machu Picchu oder Chichen Itza, die jeder schon so oft gesehen hat?
Oder ist es nicht eher die Art wie wir reisen?

Die zwei Tage von denen wir berichten sind zufällig ausgewählte Tage. Wir versuchen so die schönen aber auch die stressigen, die nervigen und die unangenehmen Momente bei Reisen mit kleinem Budget zu zeigen.

Dies war gar nicht so einfach. Während wir mit der Spiegelreflexkamera alles abknipsten was umherlief, bekamen wir mehrmals unschöne Blicke über und manchmal liessen wir die Kamera dann doch im Rucksack. Oft empfinden wir das Fotografieren als Respektlos oder Unangebracht, machten aber für die zwei Tage eine Ausnahme.

Wir hoffen, wir haben es geschafft euch eine Idee von unserer Art zu reisen zu geben und vielleicht sogar den Einten oder Anderen ermutigt zu haben, in Regionen wie in Lateinamerika zu reisen.

Hast du irgendwelche weitere Ideen? Was interessiert dich am meisten an unserer Reise? Hinterlass uns einen Kommentar im Kasten unten.